Kommentar: Magazine auf dem iPad

Was die Magazine im App Store angeht, sind grob gesagt zwei Kategorien am virtuellen iTunes-Kiosk vertreten. Die einen setzen auf speziell für das iPad gestaltete Seiten (beispielsweise Time, Wired oder Popular Science), die anderen (beispielsweise W&V, GEO oder brandeins) machen sich den Einstieg in den App Store vom Gestaltungsaufwand her etwas einfacher und bieten im Prinzip ihre bereits durch die Printproduktion vorhandenen PDFs im iTunes Store an. Beschränkt man sich rein auf die Leseanzeige der Apps, sind die Programme grob gesagt nett aufgemachte PDF-Reader mit einem angebauten In-App-Store und einer Archivfunktion.

Die PDF-Variante kann, von der Darstellung her, durchaus als die »Quick&Dirty«-Lösung bezeichnet werden, wobei auch hier zwischen einem speziell auf die Auflösung des iPad gestalteten PDFs und dem normalen Magazin-PDF, dass unter anderem in der hochauflösenden Variante den Weg in die Druckerei findet, unterschieden werden muss. Während PDFs mit einer Größe von 1024 x 768 Pixeln entsprechend lesbar für das iPad gestaltet werden, haben die meisten Magazin-PDFs fast A4-Größe und stellen damit den Text in der Regel auf dem iPad viel zu klein dar. Folglich muss der Benutzer die »falsche« PDF-Größe durch vergrößern/verkleinern und scrollen der PDFs manuell ausgleichen. Man stelle sich vor, man würde dem zahlenden Leser im Printbereich (oder auch auf einer Webseite) etwas ähnliches zumuten …

Die Quick&Dirty-Lösung der Online-PDFs ist mit Sicherheit auch auf die momentan aufkommende Goldgräberstimmung zum Thema digitales Magazin zurückzuführen. Je schneller man im App Store zu finden ist, desto besser und innovativer scheint man momentan wahrgenommen zu werden. Dabei kann die Entwicklung der digitalen Magazine aber in die falsche Richtung gehen und könnte sich an vielen Stellen schnell wieder als Enttäuschung entpuppen. Viele Magazinangebote im App Store scheinen immer noch im Format der Printmagazine gefangen zu sein und hoffen mit relativ geringem Aufwand ein schönes Stück vom großen Download-Kuchen abzubekommen.

Viele Magazine haben zudem für Abonnenten das Angebot, kostenlos, oder gegen relativ geringen Aufpreis, PDF-Varianten ihrer Hefte zu bekommen. Dazu kommen die reinen Digitalabos in PDF-Form, die zwar vorhanden sind, aber keinen wirklichen Durchbruch in der Digitalisierung erreichen konnten. Der Haken ist, dass genau diese PDFs auch manuell auf das iPad kopiert werden können und mit Apps wie »GoodReader« oder »ReaddleDocs« ähnlich gut (oder schlecht) lesbar sind wie viele App-Lösungen. Dazu – und hier haben die PDFs aus den herkömmlichen Digitalabos tatsächlich einen Vorteil – können die PDFs nicht nur auf dem iPad gelesen werden, sondern wahlweise auch auf dem Desktop-PC, dem eigenen Laptop oder jedem anderen Mobilgerät das man besitzt und das PDFs anzeigen kann. Aber auch hier gibt es einen Haken. Warum kauft kaum jemand diese Online-PDFs? Vielleicht weil sie auf den Geräten, auf denen sie zum Einsatz kommen, nicht optimal lesbar dargestellt werden können und damit ein richtiges Leseerlebnis fehlt?

Wo liegt also der Mehrweit bei einem im App »versteckten« PDF, gegenüber einem »losen« aus dem Internet? Was die Lesbarkeit der Magazine angeht gibt es praktisch keinen Mehrwert, sondern eher das Gegenteil. Der einzige Mehrwert kommt meiner Ansicht nach von Apple selbst und ist der Vertriebsweg, die Reichweite des App Stores, die Archivfunktion der geladenen Ausgaben, sowie der Umgang und die Darstellung des iPad selbst. Groteskerweise stehen gerade die Punkte Vertriebsweg und App Store oft bei den Verlagen in der Kritik, obwohl sie diese mit In-App-Käufen, bei denen Apple momentan keine »Verkaufsgebühr« abzwackt, auch noch weitgehend umgehen können.

Das normale (und printoptimierte) Magazin-PDF wird auf dem iPad weder aufgewertet, noch auf das Gerät optimiert. Und mit Optimierung ist nicht gemeint das Magazin mit tonnenweise Videos und Animationen aufzuwerten, sondern die Inhalte einfach »nur« lesbar auf dem Endgerät zu präsentieren, ohne das der Anwender sich selbst darum kümmern muss. Also etwas, dass im Print- und Online-Bereich ohnehin als selbstverständlich gilt, beim iPad aber seltsamerweise wieder etwas in Vergessenheit gerät. Kein Verlag würde auf die Idee kommen die eigene Homepage rein auf eine 1920er-Monitorauflösung zu optimieren und den Benutzer dann durch die Webseite scrollen zu lassen. Auf dem iPad geht das aber anscheinend in Ordnung und endet mit einem »sieht doch noch OK aus!?«.

In der Überschrift zu diesem Artikel warnt aber natürlich das Wort »Kommentar« vor einer rein persönlichen Meinung und Leseerfahrung auf dem iPad. Denn leider wird man erst (anhand der Verkaufszahlen) herausfinden müssen, ob dem iPad-Leser die reinen Print-PDFs der Zeitschriften ausreichen, oder ob es doch die optimierten Versionen sein sollen. Für mich ist die Antwort aber bereits da. Wenn ich für ein digitales Magazin den selben Preis wie für die gedruckte Version zahlen soll, dann erwarte ich zumindest schon mal eine vergleichbare Aufbereitung, um das gleiche Leseerlebnis zu bekommen. Und davon lassen sich natürlich auch schon einige vorstellen:

1) Time Magazine (iTunes-Link): Derzeit mein Favorit im App Store. Guter Mix zwischen Lesbarkeit und ein gelungenes Seitenlayout. Schöner Mix zwischen bild- und textlastigen Artikeln und eine Navigation, über die nicht nachgedacht werden muss. Dazu ein paar Bildgalerien und Videos und fertig ist ein lesbares (Wochen-)Magazin für 3,99 Euro, dass viele Funktionen und Möglichkeiten des iPads ausnutzt, ohne gleich über die Stränge zu schlagen.

2) Nature Human Genome Special Edition (iTunes-Link): Testhase aus dem Wissenschafts-Bereich. Vielleicht ein sehr spezielles Thema, aber sehr ordentlich und lesbar gestaltet und nicht nur deswegen einen Blick wert. Informative und interaktive Grafiken, momentan gratis zu haben.

3) Der Spiegel (iTunes-Link): Könnte mit Sicherheit besser aussehen, ist aber trotzdem lesbarer als manche PDF-Version anderer Zeitschriften. Bekommt viel Schelte wegen dem höheren Verkaufspreis im Vergleich zur Printausgabe, bietet dafür aber Zugriff auf Zusatzinhalte wie (Doku-)Videos und ähnliches. (Print-)Abonnenten bekommen gegen einen geringen Aufpreis (50 Cent pro Ausgabe) auch die iPad-Version geliefert. Meiner Meinung nach ein gutes (und vor allem lesbares) Angebot.

4) Wired (iTunes-Link): Ich gestehe, ich kaufe das Magazin nur, um zu sehen, was momentan technisch auf dem iPad möglich ist. Wired ist extrem bild- und layoutlastig und die Inhalte müssen nicht jedermanns Ding sein. Dazu kommt eine recht hohe Lernkurve, denn die Navigation durch das Magazin gleicht der Lernkurve eines einfachen Programms. Trotzdem bleibt Wired zurecht ein technischer Vorreiter und ist für gerade mal 2,99 Euro pro Ausgabe durchaus einen Blick wert.

5) Popular Science (iTunes-Link): Das Magazin für zwischendurch. Bietet für 3,99 Euro (aktuelle Ausgabe) nicht gerade viel Text und Informationen, dafür starke Bilder und ein eigenes Bedienkonzept. Müsste definitiv an Masse und Inhalt zulegen, ansonsten bleibt es vielleicht nur bei einer hübschen Konzeptstudie.